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Einfluss der ketogenen Ernährung auf das Gehirn



Eine ketogene Ernährung (KD) ist eine normokalorische Ernährung, die aus

einem hohen Anteil aus Fett und einem niedrigen Anteil aus Kohlenhydraten

und Protein besteht. Eine KD hat unter anderem physiologische

Auswirkungen auf den Körper, die dem Fasten sehr ähnlich sind. Eine

ketogene Ernährung bewirkt die Produktion von Ketonkörper, die vom Körper

und vom Gehirn als energiereiches Substrat verwendet werden können. Da

das Gehirn nur Glukose oder Ketone direkt verstoffwechseln kann, müssen

alle freien Fettsäuren zuerst in Ketone umgewandelt werden. Ketonkörper

werden häufig auch als vierter Makronährstoff bezeichnet.

Ketonkörper verbessern den oxidativen Stoffwechsel von Mitochondrien, was

zu einer verbesserten ATP-Produktion führt, wirken neuroprotektiv, reduzieren

die Bildung von oxidativen Stress und haben eine antiinflammatorische

Wirkung auf das Nervensystem.


Hintergrund

Seit etwa einhundert Jahren wird die KD als Therapieform zur Bekämpfung

von Epilepsie verwendet. Die KD zeigt vor allem bei medikamentresistenter

Epilepsie eine Verbesserungsrate von etwa 50% in Bezug auf die

Anfallshäufigkeit. Der Wirkmechanismus wird in der Reduktion des

Glukosestoffwechsels und in der Förderung der Lipidoxidation vermutet.

Darüber hinaus zeigt sie auch Verbesserungen bei diversen anderen

neurologischen Erkrankungen wie Demenz oder Parkinson. Ketonkörper

haben einen positiven Einfluss auf die Motorik, die bei vielen neurologischen

Erkrankungen gestört ist. Durch den Einsatz einer KD werden plötzliche

neuronale Entladungen, wie sie zum Beispiel bei einem epileptischen Anfall

vorkommen, deutlich reduziert.


Aufbau

Bei einer KD werden etwa 90% der Kalorien aus fettreichen Nahrungsmitteln

gewonnen. Die restlichen Kalorien werden zwischen Protein und

Kohlenhydraten aufgeteilt, wobei Proteine in der Regel nicht mehr als 1g/kg

Körpergewicht betragen und die Kohlenhydrate auf maximal 30g limitiert sind.

Sportler können häufig mehr als 30g KH konsumieren, da der Körper mehr

Kohlenhydrate verträgt ohne aus der Ketose geworfen zu werden. Dies gilt

vor allem für Personen, die bereits längere Zeit in einem ketogenen Zustand

leben und dadurch als veto-adaptiert gelten. Eine ketogene Ernährung führt

zur verstärkten Produktion von Acetoacetat und ß-hydroxbutyrat während der

Verstoffwechselung von freien Fettsäuren in der Leber. Astrozyten im Gehirn

sind ebenfalls dazu in der Lage Ketonkörper aus Fettsäuren herzustellen und

diese als Energiequelle für die Blut-Hirn-Schranke (BHS) zu nutzen. Die BHS

ist die Barriere, die unser Gehirn von dem restlichen Kreislauf trennt, um es

vor Schadstoffen zu schützen. Die Astrozyten sind ein wichtiger Bestandteil

bei der Bildung und Aufrechterhaltung der BHS. Obwohl das Gehirn mit

Glukose hervorragend arbeiten und funktionieren kann, präferieren die

Astrozyten Fette über Glukose als Energiequelle. Daher stellen Ketonkörper

beziehungsweise Fettsäuren eine alternative Energiequelle für das Gehirn

dar. Da Fettsäuren nicht direkt die BHS passieren können, müssen diese

zuerst von der Leber in Ketonkörper umgewandelt werden. Je nachdem um

welche Fette es sich handelt, kann die Umwandlung schneller oder

langsamer von statten gehen. Vor allem die Umwandlung von den MCT-Fettsäure

C8 (Caprylsäure) in Ketone in der Leber vollzieht sich recht schnell.

Die Zufuhr von C8 durch die Ernährung (zum Beispiel in Form von MCT-Öl

oder Kokosfett) führt zu einem Anstieg an Ketonen im Blut. Dies passiert

auch dann, wenn die betreffende Person nicht in Ketose ist. Ein

vergleichsweise stärkerer Anstieg ist nur bei einer direkten Supplementation

von exogenen Ketonen zu verzeichnen, da Ketone nicht nur direkt von der

Leber und den Astrozyten gebildet werden können, sondern mittlerweile auch

von außen (exogen) zugeführt werden können.


Energiegewinnung

Ketonkörper können sogar schneller vom Gehirn verwertet werden und

erzeugen mehr ATP als Glukose (+27%). Daher muss festgehalten werden,

dass Glukose keinerlei Vorteile gegenüber der Verstoffwechselung von

Ketonkörper im Gehirn hat. Neurologische Störungen werden häufig mit einer

Störung der ATP-Produktion hervorgerufen durch einer mitochondrialen

Dysfunktion in Verbindung gebracht. Dadurch lässt sich ebenfalls der positive

Effekt der KD auf den Schutz von Mitochondrien und ATP erklären. Nach

traumatischen Erlebnissen oder bei einer starken Stressbelastung ist der

komplette Verzicht auf Kohlenhydrate jedoch problemtisch, da eine zu

schnelle Reduktion von Kohlenhydraten zu Störungen im Stoffwechsel und

einer Verschlimmerung der jeweiligen Stresssymptomatik bewirken kann.

Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn die Person jeweils im Vorfeld sich ketogen

ernährt oder bereits keto-adaptiert ist.


Neuroinflammation

Ketonkörper reduzieren oxidativen Stress und bewirken eine stärkere

Glutathionproduktion im Gehirn. Dies führt zu dem bereits erwähnten

neuroprotektiven Effekt, da Glutathion neben Melatonin das wichtigste

Antioxidans für das Nervensystem ist. Die verstärkte Glutathionproduktion ist

vor allem im Hippocamus nachzuweisen. Der Hippocampus ist die zentrale

Schaltzentrale im limbischen System und wichtig für die .berführung von

Informationen aus dem Kurzzeitgedächtnis in das Langzeitgedächtnis.

Darüber hinaus ist der Hippocampus auch für unsere Gefühlswelt

verantwortlich. Depressionen können zu einem reduzierten Volumen im

Hippocampus führen. Chronischer emotionaler Stress und Traumata führen

ebenfalls zu einer Reduktion des Volumens im Hippocampus. Dies führt zu

einer mangelnden Widerstandsfähigkeit gegenüber zukünftigen Stressoren

und negativen emotionalen Ereignissen. Emotionale Stimuli können dadurch

schlechter verarbeitet werden. Darüber hinaus hat eine Kalorienrestriktion

einen ähnlichen Effekt wie die KD. Da wir nicht vollständig auf Kalorien

verzichten können, stellt die KD eine praktikable Möglichkeit dar eine

normkalorische Ernährung zu nutzen, um die positiven Effekte einer

Kalorienrestriktion verfügbar zu machen.


Neurotransmitter

Es gibt mittlerweile auch ausreichende Belege dafür, dass die KD für eine

bessere Balance zwischen GABA und Glutamat im Nervensystem sorgt.

Glutamat ist der wichtigste erregende Neurotransmitter, während GABA der

wichtigste hemmende Neurotransmitter ist. Neuronale Schädigungen, wie sie

zum Beispiel durch Epilepsie oder einer Gehirnerschütterung, aber auch

durch Depressionen und Burnout ausgelöst werden, sorgen für ein

Ungleichgewicht zwischen GABA und Glutamat zu Gunsten von Glutamat.

Dies führt zu einer verstärkten neurologischen Belastung und sorgt für eine

chronische Übererregung im Nervensystem, da Glutamat in zu hohen

Mengen neurotisch wirkt. Die Folge davon ist eine Schädigung der

Nervenzellen, da diese dauerhaft überaktiv sind und sich leichter erregen

lassen. Die Folge ist eine schnelle Ermüdung der Nervenzelle und eine

chronische Überempfindlichkeit in vielen Gehirnarealen, die zum Beispiel zu

Lichtsensibilität, Geräuschempfindlichkeit, erhöhte Empfindlichkeit gegenüber

Menschenmassen, Kopfschmerzen oder sogar Migräne und Tinnitus führt.

Häufig werden die Betroffenen sehr schnell müde und leiden unter

Schlafstörungen und Konzentrationsproblemen. KD kann für eine Hemmung

der Erregung durch eine verstärkte Produktion von GABA sorgen, was zu

mehr Inhibition im Nervensystem führt. GABA wirkt dabei jedoch nicht

chronisch inhibierend und beeinträchtigt nicht mögliche Aktivitäten von

Neuronen. Es schützt primär vor abnormalen Entladungen und einer

Hyperpolarisation. Dies bewirkt einen direkten Zellschutz der Nervenzellen.

Dadurch lassen sich viele Symptome diverser neurologischer Erkrankungen

oder Störungen reduzieren. Sogar chronische Schmerzen lassen sich durch

eine KD reduzieren. Der Wirkmechanismen lässt sich teilweise ebenfalls

durch die Modulation von GABA und Glutamat erklären. Durch eine

Verstärkung hemmender Einflüsse können nozizeptive Signale reduziert und

somit Schmerz weniger stark wahrgenommen werden. Außerdem wirkt die

Reduktion der Verstoffwechselung von Glukose analgetisch, was direkt in

einer reduzierten Schmerzwahrnehmung resultiert.


Dopamin

KD schützt die Zellen vor einem übermäßigen Abbau von Dopamin. Bei

parkinsonschen Erkrankungen kommt es zu einem starken Verlust von

dopaminergen Zellen (dopaminproduzierende Zellen). Dadurch sinkt das

Dopamin, was sich in erster Linie negativ auf Antrieb und Motivation auswirkt.

Längerfristig bewirkt die reduzierte Dopaminproduktion eine Störung der

Motorik durch eine negative Beeinflussung der Basalganglien, da diese auf

einen konstanten Zustrom des Dopamins angewiesen sind um gewollte

Bewegungen aktivieren und ungewollte Bewegungen hemmen zu können.

Unkontrollierte Bewegungen und abgeschwächte Bewegungen sind die

Folge. Sogar Tic-Störungen lassen sich auf eine Störungen der subkortikalen

Basalganglien zurückführen.


Exogene Ketone

Anstelle einer KD lassen sich auch exogene Ketone in die Ernährung als

Supplement miteinbeziehen. Exogene Ketone wie ß-Hydroxybutyrat sind für

den Körper und das Gehirn schneller verfügbar als durch eine reguläre KD

oder Fastenkur. Häufig erleichtern sie den ersten Schritt zu einer regulären

KD, da viele Menschen Probleme mit einem schnellen Verzicht von

Kohlenhydraten haben. Exogene Ketone wird schnell appetitregulierend und

neigen dazu Heißhungerattacken zu unterdrücken. Dadurch reduziert sich

der bedarf an Kohlenhydrate, was die Umstellung zu einer KD erleichtert.

Doch eine KD wirkt sich nicht nur positiv auf bereits vorliegende

Erkrankungen aus. Sie hat auch eine schützende Funktion der neuronalen

Netzwerke und kann die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung minimieren.

Dies führt zu einer Gesunderhaltung des Gehirns und einer Schutzfunktion

vor möglichen neurodegenerativen Schädigungen in der Zukunft. Neuronale

Netzwerke sind relevant für eine gesunde Gehirnaktivität und kognitiven

Fähigkeiten. Obwohl unser Gehirn mit Glukose funktioniert, zeigen

Untersuchungen, dass Glukose zu einer Destabilisierung der neuronalen

Netzwerke führt, während Ketone diese Netzwerke stabilisieren. Dabei ist es

unerheblich, ob es sich um Ketone aus einer KD oder um eine exogene

Zufuhr von Ketonkörpern handelt. Daraus lässt sich ableiten, dass Ketone

auch eine protektive Funktion haben, wenn noch keine Schädigungen oder

Beeinträchtigungen vorliegen. In Bezug auf den starken Anstieg an Alzheimer

und anderen Demenzerkrankungen in den letzten Jahren, scheint eine KD

oder zumindest die Zufuhr von Ketonen, eine geeignete Strategie zu sein, um

möglichen Erkrankungen vorzubeugen. Der gesundheitsfördernde Effekt

durch die KD lässt sich unter anderem auf Grund der erhöhten ATPProduktion

erklären. Daraus resultiert eine stärkere Verfügbarkeit von

diversen Neurotransmittern, was zur optimalen Funktion des Nervensystems

beiträgt. Defizite in Neurotransmittern werden bei verschiedenen

Erkrankungen oder neuronalen Störungen erkannt. Schlafstörungen,

Depressionen und Angststörungen können zu einem stärkeren Verbrauch von

Serotonin führen. Durch die neuroprotektive Funktion der KD kann davon

ausgegangen werden, dass ein Verbrauch von Serotonin reduziert und die

Werte stabilisiert werden. Dieser stabilisierende Effekt kann nicht nur in

Bezug auf Serotonin belegt werden, sondern auch, wie bereits oben erwähnt,

in Bezug auf GABA und Dopamin.


Neurodegeneration

Die bereits erwähnten positiven Effekte in Bezug auf den Schutz vor

neurodegenerativen Erkrankungen lassen sich durch die Säuberung von

Amyloid-Beta erweitern. Amyloid-Beta ist ein Marker für die Plaquebildung im

Nervensystem und dadurch auch ein Marker für Alzheimer. Alzheimer (AD) ist

eine progressive neurodegenerative Erkrankung, die durch einen Verlust

kognitiver Fähigkeiten definiert wird. Dabei kommt es zu degenerativen

Veränderungen im Cortex, subkortikalen Bereichen wie den Basalganglien

und im limbischen System. Ein wichtiger Mechanismus in AD ist die Störung

des Glukosestoffwechsels. Daher ist AD häufig von einer Insulinresistenz im

Gehirn begleitet. Glukose kann auf Grund der Resistenz gegenüber Insulin im

Gehirn nicht mehr optimal verstoffwechselt werden. Areale, die von dieser

Stoffwechselstörung betroffen sind, sind der Temporallappen, Parietallappen

und der präfrontale Cortex. Man kann in diesem Zuge auch von einer

Insulinerkrankung sprechen. Auf Grund dieser Glukosestoffwechselstörung

scheint die Nutzung von Ketonkörpern als primäre Energiequelle optimal. In

Bezug auf AD zeigen sich die Defizite im Glukosestoffwechsel bereits Jahre

vor den ersten spezifischen AD-Symptomen. Laborwerte wie

Nüchternblutzucker, Insulin und HOMA-IR eignen sich daher sehr gut, um

rechtzeitig mögliche Defizite im Glukosestoffwechsel aufzudecken und so

frühzeitig die Entstehung von AD und auch andere neurodegenerative

Erkrankungen zu verhindern.


Mikrobiom

Die KD kann eine positive Wirkung auf das Mikrobiom im Darm haben und

somit für eine bessere Balance aus guten und schlechten Bakterien sorgen.

Dies führt nicht nur zu einer besseren Darmfunktion, sondern auch zu einer

besseren Funktion des Immunsystems und hat darüber hinaus positive

Auswirkungen auf das Gehirn. Durch die Kommunikation zwischen Darm und

Gehirn lassen sich positive Auswirkungen auf den Darm auch auf das Gehirn

beziehen (Gehirn-Darm-Achse). Somit kann der Darm direkt über die

ketogene Ernährung profitieren, aber auch über die vagale Verbindung

zwischen Hirnstamm und Darm. Hierbei ist jedoch darauf zu achten, dass die

KD ausreichende Mengen an Ballaststoffen bietet. Eine ballaststoffarme

Ernährung kann zu Darmproblemen führen. Dabei ist der Ballaststoffbedarf

jedoch sehr individuell, da auf der anderen Seite auch bestimmte

Ballaststoffe zu verstärkten Darmproblemen führen kann. Nicht selten können

Darmprobleme zum Beispiel durch eine Karnivore Ernährung behoben

werden, obwohl sich in dieser keine Ballaststoffe befinden. Ein gesundes

Mikrobiom kann sich unmittelbar auf die Funktion des Vagus auswirken.

Bestimmte Bakterienstämme zeigen eine positive Wirkung auf den Vagus und

sorgen somit für eine verbesserte Regulation zwischen Sympathikus und

Parasympathikus. Zu diesen Bakterien gehören unter anderem

Bifidobacterium longum und Lactobacillus rhamnosus.


Fazit

Eine KD kann daher präventiv aber auch rehabilitativ bei diversen neuronalen

Störungen sinnvoll sein. Dabei sollten Kohlenhydrate langsam reduziert

werden, um die individuell optimale Menge bestimmen zu können. Ohne

Beratung sollte eine KD nicht ohne Weiteres ausgeführt werden, da es bei

vorliegenden gesundheitlichen Problemen zu schweren Nebenwirkungen

kommen kann. Unter anderem berichten vor allem Frauen über

Nebenwirkungen in Bezug auf die Funktion der Schilddrüse, hervorgerufen

durch eine unsachgemäß durchgeführte KD. Es gilt daher im Einzelfall zu

prüfen für wen eine KD tatsächlich sinnvoll ist. Eine sinnvolle Unterstützung in

der Anfangsphase ist die Verwendung von exogenen Ketonen, um mögliche

riskante Nebenwirkungen zu vermeiden.

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