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Wieso die meisten Fitness Trainer nur Geräteeinweiser und Rezeptionisten sind


13,4% der Deutschen sind Mitglied in einem kommerziellen Fitnessstudio (Stand 2019). Zu diesen Studios gehören einzelne inhabergeführte Anlagen sowie diverse Ketten zu denen immer mehr Discounter zählen. Vor allem die Discounter führten zu einem starken Anstieg der Mitgliederzahlen. Im Vergleich zu 2018 stieg das Mitgliederwachstum um 4,5%. Zu den größten Anbieter im Discountbereich, mit einem Mitgliedsbeitrag von unter EUR 30 im Monat, gehören die McFIT GLOBAL GROUP (RSG Group), FitX, clever fit und EASYFITNESS. Nur diese vier Anbieter machen etwa 72% des Wachstums aus. Man kann durchaus schlussfolgern, dass die Discounter den Markt beherrschen. Wir werden sehen wie sich der Markt weiterentwickelt nachdem die RSG GROUP kürzlich GOLD`S GYM ersteigern konnte.


Die Qualität der Fitness Trainer kann in den einzelnen Ketten und Studios sehr unterschiedlich ausfallen. Zum Beispiel setzt clever fit auf die eigene Ausbildung und kooperiert dafür mit der DHfPG (Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement). Außerdem besitzt das Unternehmen eine eigene Akademie, in der internationale Schulungen und Fortbildungen für das Trainerteam angeboten werden. Qualität im Niedrigpreissegment anzubieten ist jedoch nicht das Ziel aller Discounter. In vielen Anlagen, bei diversen Anbietern, sieht man ein anderes Bild.


Ich bin nun seit über 20 Jahren beruflich in der Fitnessbranche tätig und trainiere seit 26 Jahren in einem kommerziellen #Fitnessstudio. Bereits vor meiner Zeit galt der Fokus primär dem Bodybuilding. Dieses Bild hat sich geändert, da sich heute die meisten Fitnessstudios auf die breite Masse konzentrieren und vom klassischen Bodybuilding wegrücken. Etwas widersprüchlich scheint dies dennoch zu sein, da die FIBO Power von Jahr zu Jahr zu wachsen scheint und auf den sozialen Medien immer noch der Fokus auf Muskelmasse und Körperkomposition gelegt wird. „Look good naked“ zieht sich durch die Fitnesslandschaft wie ein roter Faden. Vielleicht hat dies mit der parallelen Entwicklung von Discountern und Mikrostudios zu tun. Auf der einen Seite etablieren sich die Fitnessstudios, die den Fokus auf das klassische Training legen, und auf der anderen Seite etablieren sich Anlagen mit EMS-Training, die nur wenig mit dem Stemmen von Gewichten zu tun haben. Möglicherweise liegt dies auch daran, dass der Aufbau von Muskulatur nicht mehr den Bodybuildern vorbehalten ist, sondern jedem, der etwas für seine Gesundheit tun möchte. Und obwohl in den Discountern der Hantelbereich beinahe überall überzuquellen droht, ist es gerade dieser Bereich, der mir die meisten Sorgen bereitet.


Bodybuilding hat nicht mehr dieses Schmuddelige von damals. Krafttraining macht beinahe jeder, der ins Fitnessstudio geht. Meistens ist der Freihantelbereich der vollste Bereich im ganzen Fitnessstudio. Häufig frage ich mich selber, wieso in vielen Anlagen der Freihantelbereich nur etwa ein Drittel des Cardiobereichs ausmacht. Statt den Freihantelbereich zu vergrößern wird dieser häufig kleingehalten. Obwohl gerade der Kraftbereich für viele Besucher im primären Fokus liegt, ist es gerade dieser Bereich der schwächelt. Doch nicht nur wegen Aufbau und Größe bereitet mir dieser Bereich Kopfzerbrechen. Es ist meistens die Anwesenheit der örtlichen Fitness Trainer, die mir dieses schlechte Gefühl bereiten. Eigentlich sollte ich sagen, dass es die fehlende Anwesenheit der Trainer ist. Denn in vielen Discountern glänzen die Fitness Trainer durch Abwesenheit. Ich erlebe es immer wieder, auch wenn ich auf Reisen bin und unterschiedliche Anlagen kennenlerne, dass der Trainingsbereich der Bereich ist, wo man den Trainer am seltensten antrifft. Am Wahrscheinlichsten ist es den Trainer an der Theke anzutreffen. Während eines Einweisungstermins mit einem Neukunden erhascht man hier und da einen Trainer, der das neue Mitglied durch den Gerätepark schleust. Doch mehr als einen standardisierten Trainingsplan wird der Neukunde nicht erhalten. Die Geräte werden so gut es geht auf die Maße des Kunden eingestellt. Dass dies in der Praxis immer wieder falsch abläuft erlebe ich häufig. Leider klappt noch nicht einmal die Einstellung der Geräte korrekt. Mehr als eine Einweisung an den Geräten erhält der Kunde selten.


Das Fazit aus der mangelnden Ausbildung und Präsenz der Trainer ist mindestens eine schlechte Bewegungsausführung bei den Mitgliedern auf der Trainingsfläche - im schlimmsten Fall die Entstehung von chronischen Bewegungsschmerzen oder Verletzungen. Obwohl gerade die Discounter mit ihrem Überangebot an Maschinen und Kraftgeräten auf dem Vormarsch sind, ist es gerade dieser Bereich, den ich am stärksten bemängeln muss. Während wir einem Trend nach dem anderen hinterherjagen, vergessen wir häufig die Basics. Im Fitnessstudio ist das Bewegen von Gewichten das Fundament. Alles andere baut darauf auf. Doch wenn die Trainer von heute sich nicht mehr auf der Trainingsfläche blicken lassen und selber nicht wissen, wie man trainiert, dann wundert es nicht, dass man im Fitnessstudio von heute mehr Bewegungsfehler sieht als Kranke in einem Hospital. Kein Wunder also, dass die meisten jungen Leute heutzutage ihre Coachingstipps aus den sozialen Medien erhalten. Facebook-Foren sind voller Videos, in denen die Sportler die Community fragen, ob sie denn richtig trainieren würden. Ich glaube, dass das häufigste Motiv für solche Beiträge auf der einen Seite die Suche nach Rat ist und auf der anderen Seite die eigene Zurschaustellung. Schließlich wird man im Fitnessstudio nicht beachtet, wenn man gerade einmal 100kg beugt. Die Frage nach Tipps in den sozialen Medien schenkt dafür um so mehr Aufmerksamkeit.


Der Titel dieses Artikel ist „Wieso die meisten Fitness Trainer nur Geräteeinweiser und Rezeptionisten sind“. Auf Grund des enormen Wachstums im deutschen Fitnessmarkt und dem steigen Ausbau von Discountern wird das Problem der mangelnden Qualität weiter wachsen. Natürlich kannst du jetzt sagen „Als Fitness Trainer verdient man ja nichts“, um die mangelnde Präsenz und Arbeitsbereitschaft zu rechtfertigen. Dolch ehrlich gesagt haben Fitness Trainer nie wirklich viel verdient und faktisch scheint das Durchschnittseinkommen sich nicht wirklich erhöht zu haben. Ich erinnere mich gut daran, dass ich als Flächentrainer im Jahr 2000 EUR 10 pro Stunde erhalten habe. Kürzlich informierte mich ein Kollege, dass er in einem der großen Discounter als Eingangsgehalt ebenfalls EUR 10 bekommen würde - natürlich brutto. Dies bedeutet nicht, dass das Gehalt gleich geblieben wäre. Dies bedeutet, dass das Gehalt gesunken ist, da der Reallohn abhängig von der Inflation ist. Einfach ausgedrückt bedeutet dies, dass damals 10 Euro einen höheren Wert hatten als heute. Der Lohn sollte niemals bestimmen, ob wir unsere Arbeit gut tun oder nicht. Daher ist die Bezahlung keine Rechtfertigung für die eigene Arbeitsleistung.


Ich weiß, dass es auch anders aussehen kann als in diesem Artikel dargestellt. Doch leider ist dieses Bild dasjenige, welches mir tagein und tagaus auf meinen Reisen immer wieder begegnet. Ich hoffe auf Besserung und auf die Entwicklung einer Qualitätskultur - sogar in den Discountern.


Quellen:



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